Die kompliziertesten Wortneuschöpfungen der Legislaturperiode
Die Dokumente des Deutschen Bundestages sind dafür bekannt, besonders viele bedeutungsschwere Buchstabenketten zu enthalten. Gerne wird im Parlament über Fahrstreifenreduktionsbeeinflussungsanlagen diskutiert oder ein Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz gefordert. Aber haben Sie schon einmal vom „Tolle-Steuerverschwendungsgesetz“ gehört? Was es damit auf sich hat und welches Gesetz in der aktuellen Legislaturperiode den größten Buchstabenwust generiert hat, haben wir für Sie in einem Artikel zusammengefasst.
Im Politikbetrieb sind komplizierte und verschachtelte Wortkonstrukte Alltag. Vor allem bei der Benennung von Gesetzen wird mittlerweile versucht, bereits durch den Namen ein gewisses Bild zu transportieren. In der aktuellen Legislaturperiode machten beispielsweise das „Gute-Kita-Gesetz“, das „Starke-Familien-Gesetz“ oder das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ Schlagzeilen. In Debatten machen sich Abgeordnete diesen Umstand zu eigen, indem sie eigene kreative Wortschöpfungen spöttisch zum Besten geben.
Ein Beispiel lieferte Martin Sichert (AfD), der bei einer Debatte zu Kinder- und Jugendhilfe gegen „Super-megagute-hyperstarke-Stärkungsgesetze“ wetterte (Plenarprotokoll 19/83). Auch sein Kollege Leif-Erik Holm (AfD) forderte in der aktuellen Haushaltsdebatte, dem Ausgabenplan eine andere Überschrift zu geben:
„Hilfe für unsere Unternehmen in der Corona- und Lockdownkrise ist notwendig. Aber die allgemeine Subventionitis machen wir nicht mit. Ich finde, dieser Haushalt hätte einen deutlich passenderen Namen verdient. Mein Vorschlag lautet: das Tolle-Steuerverschwendungsgesetz.“ (Plenarprotokoll 19/180)
Dr. Lars Castellucci (SPD) nannte das Einwanderungsgesetz seiner Koalition flugs um:
„Nach jahrelangen quälenden Debatten über das Thema Migration und im Angesicht dieser Herausforderung legen Sie uns heute nach dem Starke-Familien-Gesetz und nach dem Faire-Kassenwahl-Gesetz jetzt das Eindeutig-nicht-genug-Fachkräfteeinwanderung-Gesetz vor, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, und das ist zu wenig.“ (Plenarprotokoll 19/105)
Noch härter ging Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) mit demselben Entwurf ins Gericht:
„Die Bundesregierung ist gerade sehr kreativ bei der Namensgebung von Gesetzen. Für das, was Sie uns hier heute vorlegen, habe ich einen Vorschlag. Ich sage: Das ist eher ein Fachkräfteeinwanderungsverhinderungsgesetz.“ (Plenarprotokoll 19/98)
Gelegentlich sind die Neuschaffungen der Abgeordeten auch so nahe am Original, dass man zweimal lesen muss, um den echten Gesetzesentwurf zu erkennen. So gesehen bei Ralph Lenkert (DIE LINKE):
„Die Regierung legt heute das Energieleitungsausbaubeschleunigungsgesetz vor. Es impliziert, Energieleitungen müssen gebaut werden. Das führt in die Irre. Ich nenne es Übertragungsnetzbetreiberprofitbeschleunigungsgesetz.“ (Plenarprotokoll 19/77)
Gelegentlich werden während der Debatten auch gleich Minister*innen umgetauft. Innenminister Horst Seehofer wurde in der Regierungskrise im Juni 2018 Ziel einer Wortneuschöpfung durch Katharina Willkomm (FDP):
„Ich hoffe, Ihre Gespräche mit den Ländern verlaufen erfolgreicher als voraussichtlich die Gespräche des Vielleicht-vielleicht-auch-nicht-Ministers Seehofer mit seinem österreichischen Amtskollegen.“ (Plenarprotokoll 19/46)
Die zweifelhafte Ehre der bislang längsten Gesetzesnamenskreation in dieser Legislaturperiode wird Lisa Paus (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) zuteil. In einer Debatte über das Familienentlastungsgesetz forderte sie, dieses Gesetz doch besser umzubenennen:
Normalerweise ist es diesem Hohen Hause noch nicht mal ein Extragesetz wert, sondern wir tun es in ein Jahressteuergesetz, wir verpacken es in andere Gesetze. Sie machen das jetzt als Extrageschichte. Dann, finde ich, braucht es aber auch den richtigen Titel. Es bräuchte eigentlich den Titel Verfassungswidrige-Steuermehrbelastung-Verhinderungsgesetz.“ (Plenarprotokoll 19/55)
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