Der Gesetzgebungsprozess in Deutschland
In Deutschland werden Gesetze vom Bundestag verabschiedet. Doch wie genau funktioniert der Gesetzgebungsprozess? Welche Instanzen sind beteiligt und an welchen Punkten ist es möglich, eigene Interessen und Anliegen zu platzieren? In diesem Artikel wird anhand des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Gesetzgebung auf Bundesebene nachgezeichnet. Das TSVG trat am 11.05.2019 in Kraft und soll eine verbesserte medizinische Versorgung herbeiführen.
Polit-X und unser Partner Kürschners Politikkontakte helfen dabei, eigene Anliegen im Gesetzgebungsprozess zu platzieren; beide stellen in jedem Stadium dieses Verfahrens relevante Informationen sowie AnsprechpartnerInnen bereit.
In der Polit-X-Datenbank sind Dokumente von hunderten politischen Institutionen gebündelt, die im Volltext durchsucht werden können. Neben Dokumenten aus Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung finden sich beispielsweise auch Veröffentlichungen aus den Landtagen und Landesministerien. Darüber hinaus werden Dokumente der europäischen Institutionen sowie Veröffentlichungen von Verbänden oder Social-Media-Beiträge der Abgeordneten erfasst. In der Onlinedatenbank von Kürschners können Sie die AnsprechpartnerInnen in den verschiedenen politischen Institutionen recherchieren.
Gesetzesinitiativen
In Deutschland werden alle Gesetzentwürfe im Bundestag abgestimmt. Diese können von Bundestagsabgeordneten, der Bundesregierung oder vom Bundesrat vorgelegt werden. Etwa zwei Drittel aller Entwürfe legt dabei die Bundesregierung vor. Um rechtzeitig zu erfahren, welche Themen bald auf der Agenda stehen, ist zunächst eine tagesaktuelle Information nötig. Mit Polit-X können Sie dafür beispielsweise E-Mail-Alerts zu relevanten Themen einrichten.
Auch ein Blick in den Koalitionsvertrag kann helfen, anstehende Gesetzesänderungen frühzeitig auf dem Schirm zu haben: Zu Beginn der Legislaturperiode werden die Themen im Koalitionsvertrag zwischen den künftigen Regierungsfraktionen festgehalten, die im Laufe der Regierungszeit gesetzgeberisch behandelt werden sollen. Im Falle des TSVGs finden sich im derzeitigen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD folgende Passagen, die durch das Gesetz geregelt werden sollen:
„Wir werden sicherstellen, dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis zum Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort.“
„Wir werden in einem Sofortprogramm die Leistungen und den Zugang zur Versorgung für gesetzlich Versicherte verbessern. Dazu werden die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen unter einer bundesweit einheitlichen, einprägsamen Telefonnummer von 8 bis 18 Uhr erreichbar sein und auch haus- und kinderärztliche Termine vermitteln.“
„Das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärzte für die Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten wird von 20 auf 25 Stunden erhöht. Ärztinnen und Ärzte, die in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten ländlichen Räumen praktizieren, werden über regionale Zuschläge besonders unterstützt.“
„Wir werden die Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten in dieser Legislaturperiode einführen.“
Bereits zum Zeitpunkt der Koalitionsvereinbarungen werden oftmals verschiedene Interessen wahrgenommen, etwa indem Positionspapiere oder Stellungnahmen aus dem vorparlametarischen Raum berücksichtigt werden. Nach erfolgreicher Regierungsbildung wird zumeist im Kanzleramt eine operative Vorhabenplanung erstellt, um die geplanten Gesetzgebungsvorhaben zu strukturieren und zeitlich einzuordnen. Gleichzeitig wird in diesem Zuge die ministerielle Federführung der Vorhaben in Abstimmung mit den jeweils betroffenen Ministerien festgelegt.
Referentenentwurf aus den Bundesministerien
Entstammt eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung, so wird in der Regel ein bestimmtes Referat innerhalb eines Ministeriums beauftragt, einen Referentenentwurf zu verfassen. Die Referatsleitung ist dabei ein wichtiger Anlaufpunkt, da sie unter anderem die Anliegen von BürgerInnen wie auch verschiedener Interessengruppen auswertet.
Schon in einem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses können Interessengruppen hier Einfluss auf das Verfahren nehmen: Das zuständige Referat geht bereits bei der Erstellung des Referentenentwurfs aktiv auf Organisationen und Interessengruppen zu und fordert diese zu Stellungnahmen auf. Beim TSVG gaben beispielsweise rund 120 Organisationen Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums ab. Diese Stellungnahmen lassen sich mit Polit-X übersichtlich zu einem Report bündeln, der als PDF versendet werden kann.
Nach der internen Ressortabstimmung zwischen den Ministerien wird der Referentenentwurf vom Kabinett gebilligt und anschließend dem Bundesrat vorgelegt.
Konsultation des Bundesrates
Der Bundesrat hat nun in der Regel sechs Wochen Zeit, um eine Stellungnahme (504/18(B)) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung abzugeben. Dazu wird der Entwurf in den dafür zuständigen Ausschüssen des Bundesrates besprochen. Im Falle des TSVG war der federführende Ausschuss der Gesundheitsausschuss, welcher eine Empfehlung (504/1/18) verfasst hat. Die Länder haben zudem die Möglichkeit, Plenaranträge zu verfassen (z.B. 504/2/18), die neben der Empfehlung der Ausschüsse mit in die Beratung des Bundestagsplenums einfließen.
Die Bundesregierung kann auf die Stellungnahme des Bundesrates wiederum mit einer Gegenäußerung (19/6436) antworten. Bei Gesetzesinitiativen des Bundesrates gilt ein ähnliches Verfahren: Der Entwurf des Bundesrates geht der Bundesregierung zu, die diesen binnen sechs Wochen kommentiert und den Entwurf anschließend an den Bundestag weiterleitet. Gesetzentwürfe, die direkt aus der Mitte des Bundestages gestellt werden, können ohne Stellungnahmen direkt im Bundestag besprochen werden. Nach der Billigung durch den Bundesrat wird das Gesetzesvorhaben im Kabinett, also von der Bundeskanzlerin und ihren MinisterInnen, als Kabinettsvorlage diskutiert und beschlossen.
1. Lesung im Bundestag
Anschließend wird diese Vorlage mit angehängter Stellungnahme des Bundesrates als Gesetzentwurf (19/6337) der Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet, wo sich zunächst die Fraktionen damit befassen. Diese sind intern meist in Arbeitsgruppen und -kreisen organisiert, welche die jeweilige Positionierung der Fraktion zum Gesetzentwurf ausarbeiten. Auch hier bietet sich eine Möglichkeit, Abgeordnete gezielt anzusprechen. Die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen sind hierbei zumeist auch die politisch verantwortlichen SprecherInnen. Über die Kürschners-Onlinedatenbank lassen sich etwa die SprecherInnen der Fraktionen zu bestimmten Themen identifizieren – beim TSVG also die gesundheitspolitischen SprecherInnen.
Der Gesetzentwurf wird darauffolgend im Bundestag in der ersten Lesung diskutiert. Diese Lesung findet frühestens am dritten Tag nach der Verteilung der Entwurf-Drucksachen statt. Spätestens hier wird für die Öffentlichkeit deutlich, welche Fraktion welchen Standpunkt zu dem verhandelten Thema vertritt. Durch Sichtung der Plenarprotokolle oder mithilfe der Polit-X-Stakeholderanalyse lässt sich herausfinden, welche Abgeordneten im Bundestag wann über ein Thema gesprochen haben. Mit Polit-X lässt sich außerdem ein Abgeordneten-Tracker einrichten, der Sie per Mail über die Aktivitäten ausgewählter Abgeordneten informiert.
Nach der ersten Lesung werden der Entwurf und die möglichen Änderungsanträge der Fraktionen in die dafür zuständigen Ausschüsse des Bundestages verwiesen. Der federführende Ausschuss ist im Falle des TSVG der Gesundheitsausschuss, mitberaten haben aber auch der Haushaltsausschuss und der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Neben dem Vorsitzenden des federführenden Ausschusses kommt dabei den Obleuten, die die Fraktionen in jeden Ausschuss entsenden, eine prominente Rolle zu. Die Obleute sind oft, aber nicht immer, die bereits oben erwähnten fachpolitischen SprecherInnen. Des Weiteren kommt den BerichterstatterInnen des Ausschusses eine zentrale Rolle zu; sie beschäftigen sich in besonderer Weise mit Inhalt und politischer Schwerpunktsetzung des Entwurfs und sind somit eine weitere Adresse für Organisationen oder Interessenverbände, um ihre Anliegen in den politischen Prozess einzubringen.
Handelt es sich um ein fachlich kompliziertes oder politisch kontroverses Vorhaben, wird oftmals eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen und InteressenvertreterInnen im Ausschuss durchgeführt. Im Rahmen des TSVGs fanden zwei Anhörungen statt, zu denen man in der Polit-X-Datenbank jeweils die von diversen Interessengruppen verfassten Stellungnahmen einsehen kann. Die in den Ausschüssen erarbeiteten Änderungen werden schließlich in einer Beschlussempfehlung (19/8351) festgehalten.
2. und 3. Lesung im Bundestag
Am zweiten Tag nach der Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts geht der Gesetzentwurf in die zweite Lesung im Bundestag. Abweichend davon kann der Gesetzentwurf, mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder, auch ohne Ausschussüberweisung direkt in die zweite Lesung gehen. Auch im Rahmen dieser zweiten Lesung besteht für Interessengruppen noch die Möglichkeit, an einzelne Abgeordnete heranzutreten, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt im Gesetzgebungsprozess ist der Aufwand allerdings hoch und die Erfolgsaussicht eher gering. Es bietet sich also an, seine Interessen bereits in einem frühen Stadium der Gesetzgebung wie oben beschrieben bei relevanten AkteurInnen zu platzieren.
Nach der zweiten Lesung kann zwar noch jedes Parlamentsmitglied Änderungsanträge stellen, welche direkt im Plenum behandelt werden. Dies kommt in der Praxis allerdings eher selten vor; auch im Falle das TSVG gab es keine Änderungsanträge mehr nach der zweiten Lesung. Deshalb fand unmittelbar im Anschluss die dritte Lesung statt. Nach dieser dritten Lesung dürfen Änderungsanträge nur noch von einer Fraktion, beziehungsweise fünf Prozent der Abgeordneten eingebracht werden; in diesen Anträgen darf es weiterhin nur um Bestimmungen gehen, die in der zweiten Lesung geändert oder neu vorgebracht wurden.
Nach der dritten Lesung wird das Gesetzesvorhaben vom Bundestag angenommen oder abgelehnt. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz wurde entsprechend der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses angenommen und an den Bundesrat übermittelt (128/19).
Rolle des Bundesrates
Es wird unterschieden in Einspruchs- und Zustimmungsgesetze. Je nach Themenbereich variiert dabei das Mitbestimmungsrecht des Bundesrates:
Der Bundesrat muss einem Gesetzentwurf dezidiert zustimmen, wenn die Finanzen oder die Verwaltungsstruktur der Länder betroffen sind, die Verfassung geändert werden soll oder das betreffende Gesetz von den Ländern durchgeführt werden muss. Lehnt der Bundesrat ein zustimmungspflichtiges Gesetz ab, wird in der Regel der Vermittlungsausschuss angerufen. Sowohl Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung sind dazu berechtigt. Im Vermittlungsausschuss versuchen alle Beteiligten, sich doch noch auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einigen. Bei einer endgültigen Ablehnung durch den Bundesrat ist der Gesetzentwurf allerdings gescheitert.
Bei anderen Gesetzen kann der Bundesrat lediglich Einspruch einlegen. Sein Einfluss ist bei diesen Gesetzen also deutlich geringer, da diese Einspruchsgesetze vom Bundestag nach einer erneuten Abstimmung dennoch verabschiedet werden dürfen. Legt der Bundesrat den Einspruch mit absoluter Mehrheit ein, muss der Bundestag den Einspruch ebenfalls mit absoluter Mehrheit zurückweisen. Wenn der Bundesrat seinen Einspruch mit Zwei-Drittel-Mehrheit einlegt, benötigt der Bundestag ebenfalls zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen, mindestens jedoch mit der Hälfte der Stimmen aller Mitglieder, um den Einspruch zu überstimmen. Sollte der Bundestag den Einspruch allerdings nicht zurückweisen, ist der Gesetzentwurf gescheitert. Bei Einspruchsgesetzen ist die Anrufung des Vermittlungsausschusses binnen drei Wochen möglich, nach Abschluss des Vermittlungsverfahren hat der Bundesrat dann zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen. Da der Bundestag allerdings nicht auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen ist, sind die Chancen auf Einflussnahme an dieser Stelle eher gering. Einspruchsgesetze ermöglichen dem Bundesrat üblicherweise lediglich eine Aufschiebung des laufenden Gesetzverfahrens.
Auch das TSVG war demensprechend ein Einspruchsgesetz. Nach der Übermittlung durch den Bundestag hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundesrates mit dem Gesetzesbeschluss befasst und eine Epfehlung verfasst (128/1/19), worauf der Bundesrat das Gesetz im Plenum annahm (Plenarprotokoll 976), (128/19(B)).
Ausfertigung und Verkündigung des Gesetzes
Wurde ein Gesetz schließlich von Bundestag und Bundesrat angenommen, muss es noch von der Bundesregierung gegengezeichnet werden, bevor es vom Bundespräsidenten ausgefertigt wird. Danach kann das fertige Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet werden und anschließend in Kraft treten.
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