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21.10.2020 – Polit-X Zwischenrufe
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Die Coronakrise in Zwischenrufen - Die Landtage

Selten waren die Vor- und Nachteile des föderalen Systems in Deutschland so konzentriert sichtbar wie in den ersten Monaten der Coronakrise. Ein Flickenteppich aus Regelungen einerseits und regional flexible Reaktionsmöglichkeiten auf das Infektionsgeschehen andererseits führten auch in den Landesparlamenten zu den verschiedensten Hygienekonzepten. Wie in den Bundesländern das Coronavirus diskutiert wird, können Sie mit der Suchfunktion von Polit-X herausfinden. Eine kleine Auswahl aus den Protokollen der letzten Monate finden Sie hier:


Der stenografische Dienst des niedersächsischen Landtags nahm die Dokumentationspflicht besonders ernst. In den ersten Sitzungen wurde jede reinigungstechnische Interaktion mit Redepult und Mikrofon penibel aufgezeichnet:

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult) (PlPr 18/074)

In die statistischen Geschichtsbücher dieser Legislaturperiode gehen damit auch die folgenden Zahlen ein: Am 25. März in der 74. Sitzung des Parlaments wurde das Redepult 21 Mal desinfiziert, am 23. April 56 Mal, am 12. Mai 99 Mal und am 13. Mai 92 Mal. Leider wurden danach anscheinend die stenografischen Richtlinien verändert, so dass die Hygieneaufzeichnungen im Juni eingestellt wurden.


Die Putzwut in den Plenarsälen blieb nicht ohne Folgen. Ein Opfer der anfänglichen Desinfektionen war der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags Bernd Busemann:

Vizepräsident Bernd Busemann: Jetzt wird erst einmal das Redepult desinfiziert. (Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult) - Wenn man längere Zeit hier oben sitzt, kriegt man von den Desinfektionsmitteln eine gewisse Überdosis. (Heiterkeit - Jörg Bode [FDP]: Der Präsident ist eingenebelt!) Um das noch zu ergänzen: Ich hoffe nicht, dass ich nachher in eine Fahrzeugkontrolle gerate. (Heiterkeit - Jörg Bode [FDP]: Mit der Zeit hat man darin Routine! - Frank Oesterhelweg [CDU]: Die Ausrede kommt ein bisschen spät! - Minister Boris Pistorius: Besorg doch mal jemand so einen Tester! - Heiterkeit) Der Innenminister liegt auch schon auf der Lauer. (PlPr 18/074)


Im Berliner Abgeordnetenhaus wurde zwar nicht gezählt, wie oft das Redepult gewischt wurde, aktuelle Statistiken spielte aber dennoch eine große Rolle in den Debatten um die Coronakrise. Der Abgeordnete Tommy Tabor von der AfD war um Veranschaulichung der Fallzahlen in der Hauptstadt besonders bemüht:

Tommy Tabor (AfD): Lassen Sie uns zur Normalität zurückkehren, die dem Umstand Rechnung trägt, dass mit Stand gestern Abend in einer Stadt mit 3,5 Millionen Einwohnern nur 320 Menschen aktuell an Corona erkrankt sind, [Torsten Schneider (SPD): Knapp daneben!] also rund 0,009 Prozent. Rund 130 dieser Erkrankten befinden sich zudem noch in Krankenhäusern, sodass die Wahrscheinlichkeit, den restlichen 190 frei herumlaufen - den Coronakranken in Berlin zu begegnen, ungefähr so groß ist, wie dass Berlin irgendwann im Bildungsvergleich auf Platz eins im Vergleich zu den anderen Bundesländern ist. [Beifall bei der AfD] (PlPr 18/60)


In Zeiten der Pandemie kann man im Plenum schon alleine mit der Anwendung der Hygiene-Regeln fraktionsübergreifend punkten. Nach einer Einweisung für Verhaltensweisen im saarländischen Landtag durch Gesundheitsministerin Monika Bachmann, die darauf hinwies, in die Armbeuge zu niesen oder husten, zeigte der Abgeordnete Timo Mildau während seiner Rede, dass er aufmerksam zugehört hatte:

Timo Mildau (CDU): Wenn Sie sich heute am Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz hier in Saarbrücken umschauen – (Abg. Mildau (CDU) niest. - Vereinzelt Beifall.) Alles korrekt gemacht, ja? Sehr gut! - Wenn Sie sich heute am Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz… (PlPr16/037)


Wer in den aktuellen Corona-Debatten für Beifall sorgt und wer sich nicht an die Abstandsregeln hält, können Sie auch auf Landesebene mithilfe der Polit-X-Datenbank und dem Polit-X-Abgeordneten-Tracker herausfinden. Einen kostenfreien Testzugang gibt es hier.