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01.07.2020 - Polit-X-Blog
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Aufgaben und Themen der EU-Ratspräsidentschaft

Von Juli bis Dezember 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Deren Hauptaufgaben sind die Leitung, Vorbereitung und Moderation der Treffen und Arbeiten des Europäischen Rates, des Rates der Europäischen Union sowie rund 200 weiterer Ausschüsse und Arbeitsgruppen; die Vertretung des Rates gegenüber den anderen EU-Institutionen, sowie die Vertretung der EU auf internationaler Ebene. In die diesjährige deutsche Ratspräsidentschaft fallen beispielsweise der Abschluss des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU sowie die Regelung des Brexits. Weitere große Themen sind eine nachhaltige europäische Klimastrategie sowie Fortschritte in der Digitalisierung. All diese Themen werden von der Covid-19-Pandemie überschattet; die Krisenbewältigung steht im Mittelpunkt des deutschen Ratsvorsitzes.

Aufgaben der Ratspräsidentschaft

Der Vertrag von Lissabon sieht für den Rat der Europäischen Union eine Teampräsidentschaft vor. Das bedeutet, dass drei Mitgliedstaaten pro Präsidentschaft zusammenarbeiten, wobei ein Mitglied für jeweils sechs Monate den Vorsitz übernimmt und die anderen beiden unterstützend tätig sind. Deutschland bildet dabei ein Team mit Portugal und Slowenien.

Leitung, Vorbereitung, Moderation

Das Land, welches die EU-Ratspräsidentschaft innehat, nimmt während dieser Zeit leitende, vorbereitende und moderierende Aufgaben war. Koordiniert werden die Treffen des Rates der Europäischen Union, des Europäischen Rates, sowie über 200 weiterer Arbeitsgruppen und Ausschüsse. Außerdem hat die Ratspräsidentschaft die Aufgabe, als Vermittlerin in Streitfällen zu fungieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, sollten die Verhandlungen stocken.

Dabei teilen sich die MinisterInnen eines Mitgliedsstaates diese Aufgaben entsprechend der Aufgabenverteilung innerhalb der Regierung. Für Deutschland bedeutet dies, dass die Bundeskanzlerin den Vorsitz im Europäischen Rat wahrnimmt, während die BundesministerInnen verantwortlich sind für die Treffen der FachministerInnen im Rat der Europäischen Union:

Die Ratspräsidentschaft legt die Treffen des Rates der Europäischen Union, auch Ministerrat genannt, terminlich fest und beruft sie ein. Des Weiteren bereitet sie die Tagesordnung und den Tagungsort vor. Im Ministerrat sind die Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten vertreten. Jeweils ein Minister aus jedem EU-Land nimmt an der Tagung des Ministerrates teil; die Besetzung variiert je nach Themenbereich. So treffen sich etwa alle UmweltministerInnen, alle FinanzministerInnen etc. Trotz dieser wechselnden Besetzung gilt der Rat der Europäischen Union als ein zusammengehöriges Organ der Europäischen Union. Die Hauptaufgabe des Rates liegt in der Gesetzgebung, hier wird er in der Regel zusammen mit dem Europäischen Parlament und auf Initiative der Kommission tätig. Zusammen mit dem Parlament teilt sich der Rat außerdem die Haushaltsverantwortung.

Der Europäische Rat hingegen setzt sich zusammen aus allen Staats- und RegierungschefInnen der Europäischen Union. Er bestimmt die Leitlinien und Zielsetzungen der europäischen Politik.

Vertretung gegenüber EU-Institutionen und international

Der Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft vertritt des Weiteren den Rat der Europäischen Union gegenüber anderen Organen der EU, insbesondere Kommission und Parlament. Seine Aufgabe ist es, auf eine Einigung über Gesetzgebungsvorhaben hinzuarbeiten. Der Vorsitz arbeitet eng zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates sowie mit der Hohen VertreterIn für Außen- und Sicherheitspolitik.

Gemeinsam mit der Hohen VertreterIn für Außen- und Sicherheitspolitik vertritt die EU-Ratspräsidentschaft die EU in ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Somit ist die Präsidentschaft mit verantwortlich für den Dialog mit Drittstaaten. Die Ratspräsidentschaft bereitet des Weiteren sie Sitzungen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vor, welcher für alle Fragen zu Außenbeziehungen und Sicherheit der EU zuständig ist.

In internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UNO) oder der Welthandelsorganisation (WTO) vertritt die Präsidentschaft außerdem in Verhandlungen die Positionen der EU.

Themenschwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft

Das Auswärtige Amt hat am 30. Juni das Programm der deutschen Ratspräsidentschaft veröffentlicht, welches neben den Themen, die in den kommenden Monaten verhandelt werden auch konkrete Zielsetzungen enthält. Die wichtigsten Themen sind dabei die folgenden:

Mehrjähriger Finanzrahmen

Der Mehrjährige Finanzrahmen ist das mittelfristige finanzpolitische Planungsinstrument der EU; durch ihn wird die Ausgabenobergrenze der EU für sieben Jahre festgelegt. Der Abschluss der Verhandlungen für die Periode 2021-2027 fällt in die deutsche Ratspräsidentschaft. Perspektivisch soll der EU-Haushalt umgeschichtet werden: Stärker in den Fokus rücken sollen die Themen Klimaschutz, Stärkung des gemeinsamen Außenhandels, Steuerung von Migration sowie Forschung und Entwicklung.

Europäischer Green Deal

Der ursprüngliche Schwerpunkt der bis 2024 amtierenden Kommission unter Ursula von der Leyen sollte in einer klimafreundlichen Umgestaltung der europäischen Wirtschaft liegen. Hierfür hat die Kommission ihren European Green Deal vorgestellt. Bereits 2020 sollten hierfür richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden, vor allem durch die Bereitstellung von Finanzmitteln aus dem EU-Haushalt für erneuerbare Energien.

Digitalisierung

Ein weiteres Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft ist, Europa technologisch und digital souverän zu machen, beispielsweise durch eine sichere europäische Dateninfrastruktur.

Gesundheitssystem

In Reaktion auf die Coronakrise soll die Rückverlagerung der Produktion kritischer Arzneimittel und Medizinprodukte nach Europa vorangetrieben werden; auch eine europäische Reserve soll angelegt werden. Darüber hinaus soll unter der deutschen Ratspräsidentschaft ein europäischer Gesundheitsdatenraum entstehen, europäische Gesundheitsorganisationen sollen gestärkt werden.

Wirtschaftspolitik

Prominente Themen auf der wirtschaftspolitischen Agenda sind der Abschluss der Verhandlungen einer von Finanzminister Olaf Scholz vorangetriebenen europäischen Finanztransaktionssteuer, die Einführung einer europaweit effektiven Mindestbesteuerung von Unternehmen, Reformbemühungen innerhalb der Währungsunion sowie des EU-Wettbewerbsrecht.

Außenpolitik

Schwerpunkte der Außenpolitik sollen die Beziehungen zwischen China und Europa sowie Afrika und Europa sein. Auf dem für Oktober geplanten EU-Afrika-Gipfel soll es vornehmlich darum gehen, wie die Covid-19-Pandemie abgeschwächt werden kann. Der EU-China-Gipfel, der im September angesetzt war, wurde mittlerweile verschoben. Themen, die hier auf der Agenda stehen, sind der Abschluss eines Investitionsabkommens, Klimaschutz, die gemeinsame Rolle in Afrika, ebenso wie Fragen der Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit. Sozialstandards: Auf der Agenda für die deutsche Ratspräsidentschaft steht außerdem die Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für die soziale Grundsicherung und europäische Mindestlöhne. Dies soll zu einer Anhebung der Sozialstandards führen.

Brexit

Die Verzögerungen, die sich durch die Corona-Krise ergeben haben, haben ebenfalls dafür gesorgt, dass der Abschluss der Austrittsgespräche mit Großbritannien in den Zeitraum der deutschen Ratspräsidentschaft fällt.

Verteidigung

Auch im Bereich der Verteidigung soll mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene stattfinden. Insbesondere soll ein „strategischer Kompass“ erstellt werden, der die Richtung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik festlegen soll.

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