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13. Januar 2021 | Analyse
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Anfragen, Einzelfragen und Anträge: Die meistzitierten Medien der Oppositionsfraktionen

Anfragen und Einzelfragen sind zentrale Kontrollinstrumente der Opposition und auch Anträge werden bis auf wenige Ausnahmen von den Fraktionen jenseits der Union und SPD gestellt. In den letzten Jahren haben sich die AntragstellerInnen professionalisiert und nehmen in ihren Fragen und Anliegen immer häufiger Bezug auf Medien und wissenschaftliche Quellen. Mithilfe der Polit-X-Datenbank haben wir eine Auswahl der 20 meistzitierten Medien in Anträgen, Anfragen und schriftlichen Fragen der aktuellen Legislaturperiode erstellt und für Sie analysiert.


Hinter jeder Anfrage steht eine gründliche Vorbereitung der schriftlichen Vorgänge. Die Fraktion Die LINKE hat sogar einen Workshop veranstaltet, um Abgeordnete im Anfragen-Stellen zu schulen. Beschäftigt man sich häufiger mit Anfragen und schriftlichen Fragen, fällt auf, dass zunehmend auf wissenschaftliche und journalistische Quellen Bezug genommen wird, die das eigene Anliegen oder die Aktualität des Themas untermauern. Um LeserInnen den Zugang zu den Originalquellen möglichst einfach zu gestalten, werden oft Links zur Onlineversion bereitgestellt. Wir haben diesen Umstand zum Anlass genommen, um herauszufinden, auf welche Medien verlinkt wird.



Mit dem Einzug zwei weiterer Oppositionsparteien in den Bundestag im September 2017 hat sich auch die Zahl der Anträge und Anfragen dramatisch erhöht. Erstmals seit 1957 standen damit wieder vier Parteien der Regierung gegenüber. Laut Angaben der Parlamentsdokumentation des Bundestages gab es bis Oktober 2020 bereits mehr als doppelt so viele Kleine Anfragen wie in der kompletten Legislaturperiode zuvor. Insbesondere die neuen Oppositionsfraktionen von AfD und FDP zeigten sich äußerst aktiv sowohl bei Anfragen als auch Anträgen. Aber auch DIE LINKE hat nach drei Jahren schon nahezu genauso oft angefragt wie in der gesamten letzten Legislaturperiode.




Blickt man auf die Summe der Zitierungen, zeigt sich dass Die LINKE im Vergleich zur Gesamtzahl der betrachteten Anträge und Anfragen besonders häufig und die FDP eher weniger häufig Nachrichtenartikel zitiert – wobei sich die Zahl ausschließlich auf die Auswahl der Top-20 meist verlinkten Medien bezieht. Die zunehmende Bedeutung von Zitierungen insgesamt lässt sich anhand der Zahlen für die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die LINKE ablesen, für die es bereits Vergleichsdaten aus der letzten Legislaturperiode gibt: Schon nach drei Jahren der laufenden Legislaturperiode hat sich die Summe der Zitierungen mehr als verdoppelt bzw. um ein Drittel erhöht.



Bei der Summe der Zitierungen für einzelnen Medien gibt es für die aktuelle Legislaturperiode ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Welt und DER SPIEGEL, der in der letzten Wahlperiode noch mit Abstand am häufigsten zitiert wurde. Auch in der Folge dominieren etablierte Medienhäuser und öffentlich-rechtliche Quellen die Rangliste. Zieht man Zugriffszahlen sowie Abo- und Verkaufszahlen der IVW hinzu, zeigen sich Unterschiede: Für Oktober 2020 führt bild.de vor ntv und DER SPIEGEL die IVW-Liste an, die Welt folgt auf Rang sechs. Der Fokus der Abgeordneten liegt zudem auf den Angeboten der überregionalen Tages- und Wochenzeitungen, hier fehlt im Vergleich lediglich das Magazin stern unter den Top-20 der meistzitierten Medien. Überraschend befinden sich mit heise.de und dem Ärzteblatt zwei Quellen unter den Top-20, die eher Fachinteressen bedienen. Sie reflektieren die zunehmende Bedeutung von netzpolitischen Themen einerseits, bzw. zeigen andererseits, dass in der Pandemie aktuell Gesundheitspolitik weit oben auf der Agenda steht – mehr als die Hälfte der Zitierungen des Ärzteblatts stammen aus dem Jahr 2020.






Schaut man exemplarisch auf die Verteilung der Zitierungen nach Fraktionen bei den drei meistzitierten Medien DER SPIEGEL, Welt und Zeit, zeigen sich auch hier unterschiedliche Vorlieben je nach Partei. Während bei Zeit und DER SPIEGEL die Verteilung unter den Fraktionen in etwa dem Verhältnis der Gesamtzitierungen entspricht, stammt fast die Hälfte der Zitierungen von der Welt von der Fraktion der AfD.



Dementsprechend unterschiedlich fällt auch die Verteilung der 20 Medien bei den einzelnen Fraktionen aus. Bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird das Handelsblatt überdurchschnittlich häufig zitiert. Bei der Fraktion der AfD dominiert die Welt und bedeutet rund ein Fünftel der Gesamtzitierungen aus dem für den Datensatz betrachteten Medienpool. Auch bei den Fraktionen der FDP und LINKEN bestehen große Unterschiede zwischen den jeweils zitierten Medien.





Zur Methodik:

Der Datensatz enthält die 20 meistgenannten Internetquellen von Nachrichtenseiten in Bezug auf die Häufigkeit der Nennungen ihrer jeweiligen Domain in Anträgen, Anfragen und schriftlichen Fragen der Opposition im Bundestag. Anträge und Fragen der drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sind aufgrund ihrer wenig aussagekräftigen niedrigen Gesamtzahl nicht Teil des Datensatzes. Ausgangspunkt für die Fraktions- und Vorgangszuordnung bei Anfragen und Anträgen der aktuellen (19.) Legislaturperiode sind Metadaten, die auf den offiziellen Angaben des Bundestags beruhen. Für die vorherige Legislaturperiode (18.), sowie bei allen schriftlichen Fragen wurden eigene Metadaten zur Fraktionszuordnung erhoben.


Durch uneinheitliche Kennzeichnung, Schreibfehler und Auslassungen der Parlamentsdokumentation kann die Gesamtzahl der betrachteten Anfragen und Anträge von der offiziellen Zahl abweichen. (Beispiele: Die Dokumentenfelder Drucksachennummer und Titel wurden vertauscht; Es gibt gar keine Überschriften; Fraktionsnamen werden falsch geschrieben). Bei gemeinsamen Vorgängen der Opposition werden Zitierungen sämtlichen beteiligten Fraktionen zugerechnet. Für die aktuelle (19.) Legislaturperiode wurden Dokumente der ersten drei Jahre verwendet mit den Stichtagen 24.10.2017 – 24.10.2020; Für die vorherige Legislaturperiode (18.) gilt der Betrachtungszeitraum 22.10.2013 – 23.10.2017.


Medienberichte werden in Anträgen, Anfragen und schriftlichen Fragen i.d.R mit Verweisen auf die jeweiligen Onlinequellen belegt. Um eine einheitliche Systematik zu haben, werden für diesen Datensatz nur die Zitierungen gezählt, die die Domain des Mediums oder einen direkten Weblink nennen. Mehrfachzitierungen eines Artikels in demselben Antrag oder derselben Anfrage werden mehrfach gezählt. Hier drei Beispiele:

  • stern.de: „Ende Februar 2019 machte eine Recherchekooperation des Magazins Stern, des ARD- Magazins Report München und der Deutschen Welle eine Fülle von Sichtungen deutscher Waffentechnik und sonstiger Rüstungsgüter im Jemen publik (www.stern.de/politik/ausland/emirate--in-deutschland-gebaute-kriegsschiffevor-der-kueste-des-jemen-8596422.html).“
  • welt.de: „Was ist der Bundesregierung über Forschungen eines Fraunhofer-Institutes bekannt, das einen Auftrag zur Entwicklung eines „Spezialsensors oder Radars“ an das in Deutschland und der Tschechischen Republik angesiedelte Unternehmen esc Aerospace vergeben haben soll („Gegen Drohnen setzt die Bundeswehr auf die Elektro-Panzerfaust“ welt.de vom 19. Dezember 2018).”
  • Ohne Link bzw. Nennung der Domain - nicht Teil des Datensatzes: "Das Tagesmedium welt brachte am 7. Mai 2018 unter dem Titel „Das besondere Instrument der Diplomatie“ einen nach Ansicht der Fragesteller hoch brisanten Artikel über die Beschaffung eines Flügels in der diplomatische Vertretung Deutschlands in Pretoria."