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03.06.2021 – Polit-X Hintergrund
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Der Frauenanteil im Bundestag

Der Frauenanteil im aktuellen Bundestag liegt mit 30,9% so niedrig wie zuletzt im Jahr 2002. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den Frauenanteil im Parlament und in den einzelnen Bundestagsfraktionen seit 1990 und beleuchtet, wie dieser Anteil zustande kommt.


Frauenanteil im Deutschen Bundestag

Zu Beginn der aktuellen Wahlperiode zogen 219 Frauen und 490 Männer in den Deutschen Bundestag ein, das entspricht einem Frauenanteil von 30,9 %.



Der Vergleich mit den vorhergehenden Legislaturperioden verdeutlicht, dass dieser Anteil der niedrigste seit 2002 ist. Bei der Betrachtung der Zahlen fällt auf, dass der Frauenanteil im Bundestag seit 1990 stetig angestiegen ist, bevor er zwischen der 18. und 19. Wahlperiode um 5,6 Prozentpunkte gefallen ist. Diese rückläufige Zahl lässt sich sowohl auf die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien, von denen einige keine Frauenquote haben, als auch auf das deutsche Wahlsystem, bestehend aus Direkt- und Listenwahl, zurückführen.



Frauenanteil und Repräsentation

Die oben dargestellten Zahlen verdeutlichen, dass der Frauenanteil im Bundestag nicht dem Frauenanteil in der Bevölkerung entspricht: Während die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, sind nur rund ein Drittel der MdBs Frauen. Nach dem Konzept der „deskriptiven Repräsentation“ stellt dies ein Missverhältnis dar. Das Konzept geht davon aus, dass Repräsentation entlang soziodemographischen Kriterien wie Alter, Bildung oder eben Geschlecht erfolgt. VertreterInnen der entsprechenden Gruppen seien demnach am ehesten in der Lage, die jeweiligen Gruppeninteressen zu vertreten.

In der Praxis hieße dies, dass ein höherer Frauenanteil im Parlament dazu führen könnte, dass deren Interessen, Anliegen und Perspektiven besser zur Geltung kämen. Zwar ist die Realität – zumal in Deutschland – deutlich komplexer, denn Studien haben ergeben, dass neben den deskriptiven Merkmalen der MdBs vor allem die Parteizugehörigkeit eine wichtige Rolle dabei spielt, welche politischen Ziele verfolgt werden. Dennoch konnte auch gezeigt werden, dass trotz der starken parteipolitischen Unterschiede Frauen fraktionsübergreifend eine höhere Repräsentationsleistung bei frauenspezifischen Themen erbringen als männliche MdBs.


Frauenanteil nach Fraktionen: Parteieffekt und Wahlsystemeffekt

Die nachfolgende Grafik ermöglicht einen Vergleich des Frauenanteils innerhalb der Bundestagsfraktionen seit 1990:


Besonders interessant ist der Vergleich der aktuellen Wahlperiode mit den beiden vorhergegangenen, da die 18. WP (36,5%) im Vergleich zur 17. (32,8%) und zur 19. (30,9) einen Höhepunkt darstellt.

Im Vergleich zur 17. Wahlperiode (32,8%) und zur 18. Wahlperiode (36,5%) liegt der Frauenanteil für alle Bundestagsfraktionen insgesamt bei niedrigen 30,9%. Von der 17. Zur 18. Wahlperiode erhöhte sich der Frauenanteil also um 3,7 Prozentpunkte, in der aktuellen Legislaturperiode ist er um 5,6 Prozentpunkte auf den tiefsten Stand seit 2002 gefallen. Zur Erklärung dieser Entwicklung lassen sich zwei Faktoren identifizieren: der Parteieffekt und der Wahlsystemeffekt.


Parteieffekt

Der vergleichsweise hohe Frauenanteil der 18. Wahlperiode lässt sich zum einen dadurch erklären, dass von den vier im Bundestag vertretenen Parteien drei einen hohen Frauenanteil aufwiesen: 42% (81 MdBs) in der Fraktion der SPD und jeweils 56% bei den Grünen (35 MdBs) und in der Linksfraktion (36 MdBs). Die drei Parteien befolgen eine interne Frauenquote: Bei den Grünen müssen alle Gremien mindestens zu 50% mit Frauen besetzt sein; auf allen Wahllisten müssen ebenso viele Frauen wie Männer aufgestellt werden, wobei die ungeraden Zahlen den Frauen vorbehalten sind. Auch die Linkspartei hat in ihrer Satzung eine Frauenquote von 50% festgelegt. Die SPD hat in ihrem Statut eine Geschlechterquote von 40% verankert; das bedeutet, dass auf den Wahllisten jeweils mindestens 40% Männer und Frauen nach dem Reißverschlussprinzip aufgestellt werden müssen.

Auch die CDU/CSU-Fraktion hatte im Vergleich zur 17. Wahlperiode ihren Frauenanteil von 20% (48 MdBs) auf 25% (78 MdBs) erhöht. Bislang gilt in der CDU anstatt einer festen Quote ein unverbindliches Frauenquorum von 30%. Eine verpflichtende Quote für ListenkandidatInnen ist auch trotz angestrebter Reformen nicht in Aussicht: Ein Beschluss der Parteispitze sieht die Einführung einer 50%-Quote bis 2025 für Parteiämter vor; für die Wahllisten bleibt es bei einer Soll-Bestimmung: Unter den ersten zehn Listenplätzen sollen sich bis 2025 mindestens fünf Frauen befinden. Auch die CSU ringt seit Jahren mit dem Thema Frauenquote. Erst beim Parteitag im Herbst 2019 wurde eine Frauenquote auf Ebene der Kreisvorstände abgelehnt.

Die FDP, die traditionell einen niedrigen Anteil an weiblichen Abgeordneten aufweist, war hingegen nicht im 18. Deutschen Bundestag vertreten.



Dies hat sich 2017 mit der Wahl zum 19. Bundestag allerdings verändert: Die FDP zog mit 88 Abgeordneten (davon 69 Männer) ins Parlament ein. Außerdem sitzt nun mit der AfD eine weitere männerlastige Partei im Bundestag: Von den insgesamt 94 Abgeordneten waren am Anfang der 19. Wahlperiode lediglich zehn weiblich.

Keine der beiden Parteien gibt bisher eine Frauenquote vor. Mit einem Beschluss, der auf dem Parteitag der FDP am 28. April 2019 von 60,6% der Delegierten angenommen wurde, erkennt die Partei ihren geringen Frauenanteil als Problem an. Zwar sieht dieser Beschluss nach wie vor keine Quotenregelung vor, dafür aber „Zielvereinbarungen“, die „regional differenziert vereinbart“ werden sollen.

Die AfD hingegen lehnt Frauenquoten jeder Art weiterhin strikt ab, wie aus Statements führender AfD-Politikerinnen wie Beatrix von Storch oder Alice Weidel hervorgeht.


Wahlsystemeffekt

Doch nicht nur die Quotenregelungen, die innerhalb der Fraktionen für die Wahllisten gelten – oder eben nicht gelten –, sind für den Frauenanteil im Bundestag ausschlaggebend. Denn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden nicht allein über Listen (Zweitstimme), sondern auch durch Direktmandate (Erststimme) gewählt:

So besteht die CSU-Landesgruppe etwa ausschließlich aus DirektkandidatInnen. In der CDU wurden 93% aller Abgeordneten direkt gewählt (im Vergleich zu 75% in der 18. WP), in der SPD-Fraktion immerhin 39% (im Vergleich zu 30 in der 18. WP). Und diese DirektkandidatInnen sind mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit Männer; die CSU-Landesgruppe etwa ist derzeit zu 83% männlich. Eine paritätische Aufstellung der Wahllisten hätte auf diese wahlsystemische Bevorzugung männlicher Kandidaten also gar keinen Effekt.


Quellen

  • Blaha, Barbara/Zwickelsdorfer, Oliver (2018): Geschlechterquoten in Wahlsystemen. online verfügbar.
  • Briatte, Anne-Laure (2018): Notwendig, aber nicht ausreichend. Die Frauenquote bei den Grünen. online verfügbar.
  • Bukow, Sebastian/Voß, Fabian (2018): Frauen in der Politik. Der weite Weg zur geschlechtergerechten Repräsentation. online verfügbar.
  • Bundestagswahl 2021 (2021): Frauenanteil im Deutschen Bundestag. online verfügbar.
  • Die Linke: Bundessatzung. online verfügbar.
  • Faas, Thorsten (2017): Warum im neuen Bundestag so wenige Frauen sitzen. online verfügbar.
  • Handelsblatt (2019): FDP beschließt Zielvereinbarungen für den Frauenanteil. online verfügbar.
  • T-Online (2020): CDU einigt sich auf Frauenquote für Parteiämter. online verfügbar.

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