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26.11.2020 – Polit-X-Blog
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"Lobbyismus" im Bundestag

Aktuell wird die Einführung eines Lobbyregisters im Bundestag heiß diskutiert. Neben der Regierungskoalition haben auch die Oppositionsfraktionen Gesetzesvorschläge und Anträge eingebracht. Mit den Diskussionen um das Lobbyregister geht ein beliebter Vorwurf unter den Abgeordneten einher: LobbyistIn für ein Thema oder einen Industriezweig zu sein.


Mithilfe der Polit-X-Datenbank haben wir aus den Plenarprotokollen der aktuellen Legislaturperiode die meistgenannten Lobbys der Abgeordneten ermittelt:


Die meistgenannten Lobbys in der aktuellen Legislaturperiode


Die am häufigsten genannte Lobby in Plenarprotokollen hat aber nur wenig mit Partikularinteressen zu tun. Es ist mit 30 Nennungen die „Westlobby“– des Reichstagsgebäudes. Seit neue Hygiene- und Abstandsvorschriften wegen der Corona-Pandemie gelten, sind namentliche Abstimmungen dorthin verlegt worden. Auf den ersten Plätzen der echten InteressenvertreterInnen folgen keine Überraschungen: Auto-, Immobilien- und Wirtschaftslobby, sowie Rüstungs-, Windkraft- und Kohlelobby werden am häufigsten genannt. Schaut man auf seltenere Konstruktionen, stechen Lobbys hervor, die eher weniger Widerhall in den Medien erfahren: Väter- und Mütterlobby, die Frauenlobby oder ZukunftslobbyistInnen.



Der Lobbyismus-Vorwurf wird vor allem von Oppositionskräften formuliert. Nimmt man die Zwischenrufe als Grundlage, so werfen Abgeordnete der Fraktion Die LINKE mit acht Nennungen am häufigsten ihrem Gegenüber vor, LobbyistIn für einen Industriezweig zu sein. Dahinter folgt die Fraktion der AfD mit drei Zwischenrufen, die wiederum auf andere Interessengruppen abzielen.

Wie unterschiedlich der Begriff „Lobby“ je nach Interessenslage gewertet wird, zeigt der folgende Debattenausschnitt zwischen dem AfD-Abgeordneten Leif-Erik Holm und Grünenpolitiker Sven-Christian Kindler:


Die Bundesregierung betreibt hier das Geschäft der grünen Ökolobby. (Beifall bei der AfD Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!) Plenarprotokoll 19/63 vom 20.11.2018


Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezeichnen sich gar selbst als „Lobby für die Umwelt“:


Enak Ferlemann (Parl. Staatssekretär): Es muss eine Lobby für die Umwelt in Deutschland geben. (Stephan Kühn [Dresden] BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sind wir!) Plenarprotokoll 19/53 vom 28.09.2018

Auch in anderen Politikfeldern wird ein Mehr an Kontakten zu LobbyistInnen gefordert, wie Thomas Jarzombek aus der Fraktion CDU/CSU verwundert feststellen musste:


Dr. Christian Jung (FDP): Und ich sehe auch, wenn ich mit Leuten aus dieser Community spreche, die nicht in Verbänden organisiert sind, dass sie außer Frau Kluckert, mir und Herrn Gastel überhaupt keine Politiker kennen. Das heißt, die hatten alle mit diesen Leuten bisher keinen Kontakt. (Felix Schreiner [CDU/CSU]: Infam! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Dass man mangelnde Lobbyistenkontakte als Vorwurf bekommt, ist neu! – Weitere Zurufe von der CDUCSU) Plenarprotokoll 19/90 vom 22. März 2019

In einer Bundestagsdebatte über einen Änderungsentwurf des EEG-Gesetzes formulierte Dr. Martin Neumann von der FDP folgende Metapher für die Arbeit der jeweiligen Lobbyisten:


Für eine funktionierende Energiewende müssen wir den Wettlauf der Lobbyisten um den besten Platz an der Freibiertheke unterbinden. (Beifall bei der FDP– Oliver Krischer [BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN]: Was? Das ist doch jetzt eine Unverschämtheit!) Plenarprotokoll 19/37 vom 8. Juni 2018

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